Dhamma-Vinaya Journal: Antwort auf den Le­ser­brief »Männ­li­cher Sinn und weib­li­ches Wesen«

Wenn wir das Kamma-​​Gesetz ernst neh­men, müs­sen wir zu­ge­ste­hen, daß die un­ter­schied­li­chen Fak­to­ren un­se­rer Er­schei­nung, un­se­res äuße­ren und in­ne­ren Haus­hal­tes auf­grund von Wir­ken ent­stan­den sind.

So sind be­stimmte Be­wer­tun­gen vor­aus­ge­gan­gen, die in die­ser oder je­ner Ge­stalt, die­ser oder je­ner Er­schei­nung Wohl zu fin­den ver­meint ha­ben, denn nichts ge­schieht ein­fach zu­fäl­lig, son­dern auf­grund von Be­din­gun­gen, wel­che durch Ten­den­zen er­zeugt wor­den sind.

Als Frau zu er­schie­nen be­deu­tet eben, das „Weib­li­che“ an­ge­strebt zu ha­ben, sich da­mit iden­ti­fi­ziert zu haben.

Al­ler­dings wis­sen wir ja auch, jeg­li­che Iden­ti­fi­ka­tion auch im­mer zwei Sei­ten hat und eben Bin­dun­gen er­zeugt, die un­be­stän­dig und so­mit noch leid­haft sind.

So kann man auch nicht un­be­dingt von „Ver­all­ge­mei­ne­rung“, spre­chen weil es Aus­nah­men gibt. Heißt es nicht auch „Aus­nah­men be­stä­ti­gen die Regel“?

Die Aus­sage von P.D. fußt ja auf den Aus­sa­gen des Er­wach­ten in den Lehr­re­den, wie sie bei­spiels­weise auch in der fol­gen­den zu fin­den sind:

A VI.52

»Wor­auf wohl, Herr Gotama, ist der Sinn der Ade­li­gen ge­rich­tet, wo­nach trach­ten sie, was ist ihre Stütze, was ihr Ver­lan­gen und ihr Ziel?« –

»Auf Reich­tum, Brah­mane, ist der Sinn der Ade­li­gen ge­rich­tet, nach Weis­heit trach­ten sie, das Heer ist ihre Stütze, nach Län­dern steht ihr Ver­lan­gen, die Herr­schaft ist ihr Ziel.« –

»Wor­auf aber, Herr Gotama, ist der Sinn der Brah­ma­nen ge­rich­tet, wo­nach trach­ten sie, was ist ihre Stütze, was ihr Ver­lan­gen und ihr Ziel?« –

»Auf Reich­tum, Brah­mane, ist der Sinn der Brah­ma­nen ge­rich­tet, nach Weis­heit trach­ten sie, die ve­di­schen Sprü­che sind ihre Stütze, nach Op­fer­ga­ben steht ihr Ver­lan­gen, die Brah­ma­welt ist ihr Ziel.« –

»Wor­auf aber, Herr Gotama, ist der Sinn der Haus­leute ge­rich­tet, wo­nach trach­ten sie, was ist ihre Stütze, was ihr Ver­lan­gen und ihr Ziel?« –

»Auf Reich­tum, Brah­mane, ist der Sinn der Haus­leute ge­rich­tet, nach Weis­heit trach­ten sie, ihre Be­rufs­kennt­nisse sind ihre Stütze, nach Ar­beit steht ihr Ver­lan­gen, voll­brachte Ar­beit ist ihr Ziel.« –

»Wor­auf aber, Herr Gotama, ist der Sinn des Wei­bes ge­rich­tet, wo­nach trach­tet es, was ist seine Stütze, was sein Ver­lan­gen und sein Ziel?« –

»Auf den Mann, Brah­mane, ist der Sinn des Wei­bes ge­rich­tet, nach Schmuck trach­tet es, die Kin­der sind seine Stütze; sein Ver­lan­gen geht da­nach, ohne Ne­ben­weib zu blei­ben, das Herr­schen ist sein Ziel.« –

»Wor­auf aber, Herr Gotama, ist der Sinn der Diebe ge­rich­tet, wo­nach trach­ten sie, was ist ihre Stütze, was ihr Ver­lan­gen und ihr Ziel?«

»Auf das Steh­len, Brah­mane, ist der Sinn der Diebe ge­rich­tet, nach ei­nem Ver­steck trach­ten sie, die Waffe ist ihre Stütze, nach Dun­kel­heit steht ihr Ver­lan­gen und nicht ent­deckt zu wer­den ist ihr Ziel.« –

»Wor­auf aber, Herr Gotama, ist der Sinn der As­ke­ten ge­rich­tet, wo­nach trach­ten sie, was ist ihre Stütze, was ihr Ver­lan­gen und ihr Ziel?« –

»Auf Ge­duld und Milde, Brah­mane, ist der Sinn der As­ke­ten ge­rich­tet, nach Weis­heit trach­ten sie, die Sitt­lich­keit ist ihre Stütze, nach wah­rer Ar­mut steht ihr Ver­lan­gen, das Nib­bāna ist ihr Ziel.«

Be­deu­tet dies, daß diese Ei­gen­schaf­ten stets in glei­chem Maße und glei­cher Aus­prä­gung bei jedem

In­di­vi­duum vor­han­den sein muß?

Ge­wiß nicht, denn kamma, ins­be­son­dere im Men­schen­tum ist sehr gemischt.

Was es je­doch be­deu­tet, ist, daß eine sol­che Er­schei­nung, ein sol­ches Er­le­ben an­ge­strebt wor­den sein muß, da an­sons­ten ein sol­ches Er­schei­nen nicht mög­lich wäre. Mit an­de­ren Wor­ten, wenn Was­ser blau ist, ist auch blauer Farb­stoff hin­zu­ge­fügt worden.

Der Er­wachte zeigt hier je­weils die Be­stre­bun­gen der un­ter­schied­li­chen We­sen im Hin­blick auf das Ver­mei­nen, darin Wohl und Be­frie­di­gung zu fin­den auf. Er be­schreibt eine Grund­struk­tur die­ser Be­stre­bun­gen, die „We­sen­haf­tig­keit“ ent­spre­chen­der Ten­den­zen, die zum je­wei­li­gen Er­schei­nen füh­ren, ob nun mehr oder we­ni­ger stark aus­ge­prägt. Auch zeigt er auf, wo­hin diese Be­stre­bun­gen je­weils füh­ren und daß keine, bis auf die des As­ke­ten zur Be­frei­ung führt, son­dern im­mer nur zum je­weils an­ge­streb­ten Ziel.

So wer­den die Haus­leute bei­spiels­weise nie­mals wirk­lich das Ziel „voll­brach­ter Ar­beit“ er­rei­chen kön­nen, denn wir kön­nen ja aus ei­ge­nem Er­le­ben und Be­ob­ach­ten nach­voll­zie­hen, daß diese, auch wenn ge­wisse Etap­pen­ziele er­reicht wer­den, nie­mals auf­hört. Selbst wenn wir dann alt ge­wor­den sind und viel­leicht nicht mehr un­ser Brot ver­die­nen müs­sen, sind wir doch im­mer noch mit al­ler­lei täg­li­chen Ver­rich­tun­gen be­schäf­tigt, sei es nur den die­sen Kör­per zu er­hal­ten, bis wir die­sen ver­las­sen. Und wenn kein hö­he­res Ziel wurde, mag es sein, daß die ganze Pro­zes­sion von vorn los geht und wir wie­der mei­nen, ir­gend­wann fer­tig zu werden.

Auch die Brah­ma­nen, wenn sie nicht durch den Er­wach­ten be­lehrt sind, fin­den sich zwar, wenn die Übung ge­lingt, in ei­nem wirk­lich ho­hen und von Wohl be­stimm­ten Be­reich vor, je­doch eben nur so­lange, wie die Be­din­gun­gen aus frü­he­rem Wir­ken bestehen.

Es geht hier nicht darum, ob ei­ner ge­fühls­be­ton­ter ist oder we­ni­ger ge­fühls­be­tont, und die­ses gar als et­was Ne­ga­ti­ves zu be­trach­ten, so heißt es doch in AIII.62 „Mit Hin­sicht auf den Füh­len­den aber lehre ich, was Lei­den ist, was die Ent­ste­hung des Lei­dens ist, was die Er­lö­schung des Lei­dens ist und was der Pfad ist, der zur Er­lö­schung des Lei­dens führt.“

Viel­mehr geht es um die wirk­lich­keits­ge­mäße Be­trach­tung der mit Ge­fühl ver­bun­de­nen Be­wer­tun­gen, denn auf diese Weise näh­ren wir ja un­sere Ten­den­zen, be­ein­flus­sen un­ser Weiterwerden.

Die Un­ter­schei­dung bzw. Be­wer­tung kann hier also folg­lich nur auf heil­sam oder un­heil­sam ge­rich­tet sein, auf zur Über­win­dung und Ab­lö­sung taug­lich oder un­taug­lich. Auch ist es da­bei sehr hilf­reich, die da­mit ver­bun­de­nen Ge­fühle zu betrachten.

In wel­cher Aus­prä­gung die „Fär­bung“ der ei­nes We­sens nun vor­han­den ist, ist da­mit nicht ausgesagt.

So mag es auch sein, daß ein weib­li­ches We­sen, wie hier in un­se­rem Bei­spiel aus den Lehr­re­den er­kennt, daß die Aus­sa­gen über das „Weib­li­che“,  je­nes, was eben zum Er­schei­nen in weib­li­cher Ge­stalt ge­führt hat, et­was zu Über­win­den­des dar­stellt, weil es eben Iden­ti­fi­ka­tion ist und Iden­ti­fi­ka­tion Ver­fes­ti­gung be­deu­tet und nicht Ablösung.

Wenn der weib­li­che Sinn auf den Mann ge­rich­tet ist, auf Schmuck, Kin­der als Stütze und auf das Herr­schen über die Fa­mi­lie, dann könnte man fälsch­li­cher Weise ver­all­ge­mei­nern, daß dies al­les nur un­heil­same Ei­gen­schaf­ten sein.

Eine Frau, die ihre Fa­mi­lie oder wie es zur Zeit des Er­wach­ten oft üblich war, den gan­zen Haus­stand mit den Be­diens­te­ten und al­lem, was da­zu­ge­hört gut ma­nagt, und sich auch noch in den Tu­gen­den übt, wird vom Er­wach­ten lo­bend erwähnt.

Al­ler­dings birgt die­ses Stre­ben auch Nah­rung für un­heil­sa­mes Ver­hal­ten, wenn die taug­li­chen dinge nicht ge­kannt sind oder be­ach­tet wer­den. Dann kann es leicht zu Neid, Ei­fer­sucht, Herrsch­sucht, Geiz und so­gar zu Ge­walt füh­ren und und Glück und Wohl schwin­den sehr schnell.

Im Men­schen­tum ist ja der größte Teil der Wohl­su­che auf äuße­res Wohl ge­rich­tet, sei es die Be­frie­di­gung der Sinne durch al­ler­lei Ein­drü­cke und sinn­li­che Ge­nüsse oder der Wunsch an­er­kannt zu wer­den und vor al­lem ge­liebt zu wer­den von ei­nem Ge­gen­über, von dem man sich in sei­ner in­ne­ren und äuße­ren Struk­tur je­doch un­ter­schei­det. Wir su­chen die Ver­voll­stän­di­gung in Form von Ver­schmel­zung, wel­che ih­ren höchs­ten Aus­druck in der Se­xua­li­tät fin­det und im glei­chen Maße für Mann und Frau gilt.

In die­sem Sinn be­fin­den wir uns wie­derum in ei­nem Man­gel, sind auf diese Art Er­fah­run­gen im Au­ßen angewiesen.

A VII. 48

Die Lehre von der Ver­bin­dung und Lö­sung will ich euch wei­sen, ihr Mönche.

Das Weib, ihr Mön­che, hat bei sich den Sinn auf Weib­lich­keit ge­rich­tet, auf weib­li­che Be­schäf­ti­gung, weib­li­ches Be­neh­men, weib­li­che Ei­tel­keit, weib­li­che Nei­gun­gen weib­li­che Stimme und weib­li­chen Schmuck. Daran Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend rich­tet sie nach au­ßen hin den Sinn auf Männ­lich­keit, auf männ­li­che Be­schäf­ti­gung, männ­li­ches Be­neh­men, männ­li­che Ei­tel­keit, männ­li­che Nei­gun­gen, männ­li­che Stimme und männ­li­chen Schmuck. Daran aber Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend, sucht sie nach au­ßen hin Ver­bin­dung. Und was da in­folge der Ver­bin­dung an Freude und Fröh­lich­keit ent­steht, auch das sucht sie. Die an ih­rer Weib­lich­keit ent­zück­ten We­sen, ihr Mön­che, sind an die Män­ner ge­fes­selt. Auf diese Weise kommt das Weib über ihre Weib­lich­keit nicht hinweg.

Der Mann, ihr Mön­che, hat bei sich den Sinn auf Männ­lich­keit ge­rich­tet, auf männ­li­che Be­schäf­ti­gung, männ­li­ches Be­neh­men, männ­li­che Ei­tel­keit, männ­li­che Nei­gun­gen, männ­li­che Stimme und männ­li­chen Schmuck. Daran Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend, rich­tet er nach au­ßen den Sinn auf Weib­lich­keit, auf weib­li­che Be­schäf­ti­gung, weib­li­ches Be­neh­men, weib­li­che Ei­tel­keit, weib­li­che Nei­gun­gen, weib­li­che Stimme und weib­li­chen Schmuck. Daran aber Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend, sucht er nach au­ßen hin Ver­bin­dung. Und was da in­folge der Ver­bin­dung an Freude und Fröh­lich­keit ent­steht, auch das sucht er. Die an ih­rer Männ­lich­keit ent­zück­ten We­sen, ihr Mön­che, sind an die Wei­ber ge­fes­selt. Auf diese Weise kommt der Mann nicht über seine Männ­lich­keit hinweg.

So, ihr Mön­che, kommt es zur Verbindung.

Da­her ver­su­chen wir na­tür­lich al­les Er­denk­li­che zu tun, an die­sem Wohl fest­zu­hal­ten es gar aus­zu­deh­nen, und wenn nö­tig, zu ver­tei­di­gen, wie der Ad­lige sei­nen Stand, sein Ge­biet durch das Heer, der Brah­mane in Hin­sicht auf Weis­heit und Op­fer­ga­ben, die Haus­leute durch Ge­schäf­tig­keit zur Meh­rung ma­te­ri­el­ler Dinge etc. Je­des an­ge­strebte Wohl ist mit dem ent­spre­chen­den Lei­den ver­bun­den, wie es in der ers­ten Wahr­heit vom Lei­den heißt: Was aber, ihr Jün­ger, ist die edle Wahr­heit vom Leiden?

Ge­burt ist Lei­den, Al­tern ist Lei­den (Krank­heit ist Lei­den), Ster­ben ist Lei­den, Sorge, Jam­mer, Schmerz, Trüb­sal und Ver­zweif­lung sind Lei­den; mit Un­lie­bem ver­eint sein, ist Lei­den; von Lie­bem ge­trennt sein, ist Lei­den; nicht er­lan­gen, was man be­gehrt, ist Lei­den; kurz ge­sagt, die fünf Anhaftungs-​​Gruppen sind Leiden.

Was aber ist die Lö­sung aus die­ser nicht zur dau­er­haf­ten Be­frei­ung aus dem Man­gel füh­ren­den Bindung?

Da, ihr Mön­che, hat das Weib bei sich den Sinn nicht auf Weib­lich­keit ge­rich­tet, nicht auf weib­li­che Be­schäf­ti­gung, weib­li­ches Be­neh­men, weib­li­che Ei­tel­keit, weib­li­che Nei­gun­gen, weib­li­che Stimme und weib­li­chen Schmuck. Daran kei­nen Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend, rich­tet es nach au­ßen hin sei­nen Sinn nicht auf Männ­lich­keit, auf männ­li­che Be­schäf­ti­gung, männ­li­ches Be­neh­men, männ­li­che Ei­tel­keit, männ­li­che Nei­gun­gen, männ­li­che Stimme und männ­li­chen Schmuck. Daran kei­nen Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend, sucht es nach au­ßen hin keine Ver­bin­dung. Und was da in­folge der Ver­bin­dung an Freude und Fröh­lich­keit ent­steht, auch das sucht es nicht. Die an ih­rer Weib­lich­keit nicht ent­zück­ten We­sen ha­ben sich von den Män­nern ge­löst. Auf diese Weise, ihr Mön­che, kommt das Weib über seine Weib­lich­keit hinweg.

Da, ihr Mön­che, hat der Mann bei sich den Sinn nicht auf Männ­lich­keit ge­rich­tet, nicht auf männ­li­che Be­schäf­ti­gung, männ­li­ches Be­neh­men, männ­li­che Ei­tel­keit, männ­li­che Nei­gun­gen, männ­li­che Stimme und männ­li­chen Schmuck. Daran kei­nen Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend, rich­tet er nach au­ßen hin sei­nen Sinn nicht auf Weib­lich­keit, auf weib­li­che Be­schäf­ti­gung, weib­li­ches Be­neh­men, weib­li­che Ei­tel­keit, weib­li­che Nei­gun­gen, weib­li­che Stimme und weib­li­chen Schmuck. Daran kei­nen Ge­nuß und Ge­fal­len fin­dend, sucht er nach au­ßen hin keine Ver­bin­dung. Und was da in­folge der Ver­bin­dung an Freude und Fröh­lich­keit ent­steht, auch das sucht er nicht. Die an ih­rer Männ­lich­keit nicht ent­zück­ten We­sen ha­ben sich von den Wei­bern ge­löst. Auf diese Weise, ihr Mön­che, kommt der Mann über seine Männ­lich­keit hinweg.

So, ihr Mön­che, kommt es zur Lösung.

Das, ihr Mön­che, ist die Lehre von der Ver­bin­dung und Lösung.

So­lange wir je­doch kein hö­he­res Wohl er­le­ben, kann es sehr schwie­rig sein, sich vom Ge­wohn­ten ab­zu­lö­sen und wir kön­nen nicht er­war­ten, daß wir, ohne den Weg der Übung ge­gan­gen zu sein, so­fort am Ziel sind und die Dinge ein­fach las­sen kön­nen, wie es auch aus Ud.VIII.8. her­vor­geht, wo ein Ge­spräch zwi­schen Visākhā und dem Er­wach­ten statt­fin­det, die ihn in ih­rem Schmerz auf­suchte, weil eine ihr sehr liebe En­ke­lin ge­stor­ben war. Ob­gleich Visākhā be­reits strom­ein­ge­tre­ten war, war der Wunsch nach Mut­ter­schaft noch so stark, daß sie so­viele Kin­der ha­ben wollte, wie die Stadt Sāvat­thí Ein­woh­ner hat. Dar­auf­hin führte der Er­wachte ihr die er­nüch­tern­den Tat­sa­chen der Ge­setz­mä­ßig­keit vor Au­gen, daß wer Vor­liebe für Hun­dert hat, auch hun­dert Lei­den er­fährt und so weiter.

Visākhā starb im Al­ter von 120 Jah­ren und galt als jene, die die längste Zeit als Strom­ein­ge­tre­tene im Men­schen­tum ge­lebt hatte. Nach dem ab­le­gen des Fleisch­lei­bes er­schien sie bei den Schaf­fens­freu­di­gen Göttern.

Es gilt für uns hier also erst ein­mal den „Ist­zu­stand“ zu se­hen und zu ak­zep­tie­ren um dann Schritt­weise durch wirk­lich­keits­ge­mäße Be­trach­tung der Ge­fühle, Be­wer­tun­gen und Er­fah­run­gen zu all­mäh­li­cher Ab­lö­sung zu kom­men. Es wäre auch der fal­sche Weg, sich in Ge­gen­wen­dung zu er­ge­hen, ge­gen die Nei­gun­gen und Triebe, die man so bei sich vor­fin­det und zu ver­su­chen, diese mit Ge­walt­sam­keit zu un­ter­drü­cken. Es wäre so, als würde man eine Fe­der zu­sam­men­drü­cken, wel­che, wenn sie wie­der los­ge­las­sen wird, ei­nem entgegenspringt.

Viel hilf­rei­cher ist es, sich den Ur­sprung der Be­dürf­tig­keit vor Au­gen zu füh­ren, die Un­be­stän­dig­keit der Be­frie­di­gung darin und eine Vor­stel­lung zu ge­win­nen, wie es sein mag, wenn sol­che Be­dürf­nisse gar nicht vor­han­den wä­ren, man frei da­von wäre. Eine sol­che Art der nüch­ter­nen und wei­sen Be­trach­tung kann, in­so­fern sie denn im­mer wie­der ge­übt wird, durch­aus erst zu fei­ne­rem Wohl füh­ren und so­mit dann zur Ab­lö­sung führen.

M. 56. (VI,6)

Da hat denn der Er­ha­bene Upali den Haus­va­ter all­mäh­lich in das Ge­spräch ein­ge­führt, sprach erst mit ihm vom Ge­ben, von der Tu­gend, von se­li­ger Welt, machte des Be­geh­rens Elend, Un­ge­mach, Trüb­sal, und der Ent­sa­gung Vor­züg­lich­keit of­fen­bar. Als der Er­ha­bene merkte, daß Upali der Haus­va­ter im Her­zen be­reit­sam, ge­schmei­dig, un­be­hin­dert, auf­ge­rich­tet, hei­ter ge­wor­den war, da gab er die Dar­le­gung je­ner Lehre, die den Er­wach­ten ei­gen­tüm­lich ist: das Lei­den, die Ent­wick­lung, die Auf­lö­sung, den Weg.

Die For­mu­lie­rung „Der war der weib­li­che Sinn wi­der­wär­tig ge­wor­den“ klingt hier zwar nach Ge­gen­wen­dung, was je­doch eher an der pla­ka­ti­ven Art der Spra­che lie­gen mag.

Viel­mehr kann man es wie das Ge­fühl ver­ste­hen, wel­ches je­man­dem, der kei­nen Al­ko­hol mehr trinkt oder das Rau­chen auf­ge­ge­ben hat ent­ste­hen mag, bei der Vor­stel­lung, darin wie­der Be­frie­di­gung fin­den zu sol­len. Er kann da­hin ein­fach nicht mehr zu­rück­keh­ren, weil er sich da­von ab­ge­wen­det hat und da­durch darin kei­ner­lei Reiz mehr für ihn be­steht. Das hö­here, fei­nere Wohl ist in die­sem Fall Frei­heit und Nicht­ab­hän­gig­keit und nicht die stän­dige Be­frie­di­gung des Triebes.

Wenn ei­ner sich in ei­ner sol­chen Weise ge­übt hat und da­durch wirk­li­che Un­ab­hän­gig­keit er­fährt, wird er sich auch üben, jene nicht mit Ge­gen­wen­dung zu be­trach­ten, die noch nicht so­weit fort­ge­schrit­ten und noch auf der­ar­ti­ges Wohl an­ge­wie­sen sind.

In die­sem Sinne kön­nen wir es auch üben, uns nicht mit­ein­an­der zu ver­glei­chen und nicht als über­le­gen oder un­ter­le­gen zu be­trach­ten, son­dern je­der für sich das Best­mög­li­che her­vor­brin­gend, den an­de­ren in sei­nen heil­sa­men Fä­hig­kei­ten zu er­mun­tern und sie uns als Vor­bild zu neh­men, so, wie wir an­de­ren eben­falls Vor­bild sein werden.

Wir kön­nen uns, ganz gleich ob Mann oder Frau, als Glei­che be­trach­ten, näm­lich sol­che, die den Heils­weg des Er­wach­ten als den Weg zur Über­win­dung al­ler Bin­dung an die Leid­haf­tig­keit er­kannt und die Übung auf sich ge­nom­men ha­ben, ein je­der, so gut er eben kann und nach sei­nen Bedingungen.

Wei­ter­füh­rende Lek­türe zum Thema Frauen in der Lehr­nach­folge: Das Frau­en­bild zur Zeit des Buddha

Lie­ben Gruß,

Karuna

 

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