Grußwort zur Veranstaltung „Internationale Woche gegen Rassismus“ im Islamischen Zentrum Freising am 27.3.2015

Hochwürdiger Herr Imam, verehrte muslimische Würdenträger, sehr geehrter Herr Ünal,

ehrwürdige Vertreter der Freisinger Geistlichkeit,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Eschenbacher

sehr geehrte Mitglieder der Islamischen Gemeinde Freising,

liebe Freisinger Mitbürgerinnen und Mitbürger,

 

‏السلام عليكم‎

as-salāmu ʿalaikum – der Frieden sei mit Euch!

 

Ganz herzlich gratuliere ich der Islamischen Gemeinde in Freising im Namen des Buddhistischen Klosters zu Ihrer Initiative, ein Zeichen gegen den Rassismus zu setzen und hierzu öffentlich einzuladen!

Es ist wirklich ein würdiger Anlaß im Rahmen der „Internationalen Woche gegen Rassismus“ zu einem solch wichtigen, uns alle betreffenden Thema zusammenzukommen.

Der Ort hierfür ist würdig gewählt – ein Gotteshaus; auch wenn es nicht so groß und prächtig ist wie unser geschätzter Freisinger Dom, ist der Teppich des Gebetsraumes der kleinen Freisinger Moschee dennoch wunderbar weich und lädt auf sanfte Weise zu ernsthaftem Gebet ein. Gerade durch Ihr ausgeprägtes Pflichtbewußtsein für das täglich mehrmalige Gebet, haben Sie als Muslime eine besondere Stellung unter den Religionen und inspirieren viele durch Ihre Hingabe! Besonders bedanke ich mich, daß Sie auch uns Buddhisten als Zeichen interreligiöser Wertschätzung bedacht haben, bei diesem heutigen Anlaß zugegen sein zu dürfen.

„Rassismus“ ist ein Wort, bei dem man sich schon schlecht fühlt, wenn man es nur hört. Es auszusprechen geht immer mit dem Beklagen von bereits entstandener Verletzung und Traurigkeit einher. Rassismus ist etwas ausschließlich schlechtes, eine Krankheit des Herzens, ein dorniges Gestrüpp unheilsamer Geisteszustände, ein bedrohliches Krebsgeschwür für das friedliche Miteinander der Menschen dieser Welt!

Wie jede Krankheit des Herzens, hat auch Rassismus eine ihm eigene Krankheitsursache. Selbst die beste Heilkunst kann erst dann wirklich zum Einsatz gebracht und nachhaltig Erfolg zeigen, wenn die Ursache des Problems, die Wurzel des Übels, entdeckt und offen gelegt wird. Als religiöse Menschen setzen gerade wir den Schwerpunkt auf die Notwendigkeit des weisheitlichen Erkennens eben dieser Ursachen, weniger auf das Verurteilen und Anklagen der Krankheit oder der an der Krankheit Leidenden. Denn was bringt es, die sich im Herzen Versündigenden anzuklagen und einzuschüchtern, die sich in unheilsamen Handlungen Ergehenden auszupeitschen, ihnen die Gliedmaßen abzutrennen oder den Kopf abzuschlagen? Können wir so den Menschen helfen, die Krankheitsursache aus Ihren Herzen zu tilgen?

Eindringlich ermahnt mich die Stimme meines Gewissens: Wir sollten stets weisheitlich und voller Mitgefühl vorgehen! Gerade den Dingen gegenüber, welche uns als Bedrohung, als Gefahr oder gar teuflischen Ursprungs anmuten. Denn es gilt die Seele zu heilen, das Innerste und Verletzlichste des Menschen!

Überlegen wir einmal: Was ist die Ursache von Rassismus, was ist der Grund für die Ablehnung anderer Menschen aufgrund ihres unterschiedlichen Erscheinens hinsichtlich ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe und weiterer körperlicher Merkmale, und im erweiterten Sinne, die Ablehnung ihrer Sprache, ihrer Gebräuche, ihrer Kultur und ihrer Religion?

Eine Antwort will einleuchten: Es ist die unweise und verblendete Unterscheidung, die auf Anhaftung basiert, die voreingenommen negativ wertet, die oberflächlich und inkompetent richtet, die unsachkundig Fehleinschätzungen trifft und auf überhebliche Weise abwertet; die unmenschlich den eigenen Vorteil sucht und egozentrisch den Wert des Selbst und der eigenen Gruppe überhöht. Es ist die Unkenntnis hinsichtlich der wahren Bestimmung des menschlichen Lebens. Es ist die Verdunkelung der Seele, die Umnachtung des Verstandes, die dramatische Verfinsterung der Weisheitssonne, welche der Welt den Atem stocken läßt.

Ferner müssen wir uns natürlich fragen: Ist es denn nun generell schlecht Unterscheidungen zu treffen? Wir können ganz klar konstatieren: Mitnichten! Ist es doch vielmehr das weise Unterscheiden von Gut und Böse, von heilsam und unheilsam, von förderlich und abträglich, von Glück oder Unheil bringend, von fair und unfair – die allesamt als Fragestellungen die zentralen Anliegen des philosophischen Erkennenwollens, des ethischen Strebens und des religiösen Wahrnehmens bilden. Wir erkennen: Im Aufwachen aus dem Alptraum der falschen und unheilbringenden Unterscheidungen liegt unser und aller Heil!

Wie können wir nun zu klarem und realistischem Verstehen, zum Auf- und Erwachen aus dem Rassismus gelangen? Ich meine: alleinig durch das Läutern unserer Herzen und durch das Schärfen unseres Verstandes!

Hierin sind wir uns sicher einig. Wir alle wollen die Welt verstehen und in richtiger und gerechter Weise handeln. Und hierzu können wir als religiöse Menschen auch diejenigen Menschen anleiten, die dabei noch Schwierigkeiten haben, die in ihrer ethischen Entwicklung noch Unreife aufweisen, die auf dem Weg einfach noch nicht soweit sind; ähnlich der Kinder, die auf dem Heimweg von der Schule vor lauter Trödeln vom Weg abkommen. Ihnen gilt es, unsere Aufmerksamkeit und Offenheit zu schenken, sie durch Taten der Nächstenliebe, der Großzügigkeit und der echten Anteilnahme zu besänftigen und ihre Freundschaft zu gewinnen. Nur so können wir den Menschen beistehen, die aus verschiedensten Gründen, sei es aus Unkenntnis, aus Angst, aus schlechter Erfahrung, wegen ausgedachter Bedrohungsszenarien oder medialer Schreckensnachrichten eingeschüchtert und verstört sind.

Was hier jedoch nicht weiterhilft, ist Anklagen und Vermaledeien. Was hingegen notwendig erscheint, ist das Aufzeigen und Vermitteln, das Aufklären und Vertrautmachen, den Nachteil und die Konsequenz von Rassismus eindringlich vor Augen führen; Mitgefühl und Mitfreude lehren, nachdenklich machen, Einsicht gewinnen und die Saat der Vernunft in den Herzen der Jungen und Alten aufkeimen lassen.

Als religiöse Menschen sind wir hier gefordert. Ganz besonders aber auch bei uns selbst und unseren religiösen Gemeinschaften. Wie frei von Rassismus sind wir eigentlich selbst? Wir, die wir manchmal gar überschnell, mitunter philisterhaft, in Weise der Schriftgelehrten bei anderen Rassismus diagnostizieren. Wie offen sind wir? In welchem Rahmen akzeptieren wir? Wie weit geht unsere Toleranz? Ist unsere Religion wirklich frei von Rassismus, oder diskriminieren wir nicht auch selbst? Die Frau in ihrer Würde, die Liebenden hinsichtlich ihres Geschlechts, die Anders- oder Nichtgläubigen hinsichtlich ihrer Weltanschauung, die Essenden hinsichtlich ihrer Ernährungsgewohnheiten, die Einheimischen hinsichtlich ihres Bedürfnis nach Heimatgefühl, die Fremden hinsichtlich ihrer Suche nach einer neuen Heimat?

Diese Fragen formen das reflektierende Glas unseres Gewissensspiegels! Lassen Sie uns täglich und stündlich oder am besten bei jedem Gedankengang, wenigstens jedoch vor jedem Öffnen des Mundes einmal in das Spiegelglas der edlen Menschen blicken. Klingt das schwer? Natürlich! Aber wozu ist Religion gut, wenn sie uns nicht fordert und zu besseren Menschen und weiseren Wesen werden läßt?

Unwissen zu überwinden kostet Kraft! Genauso kostet es Kraft, Rassismus in uns und um uns weniger werden zu lassen. Vor allem benötigt es jedoch Geduld. Und Geduld ist die härteste Askese, sagt der Buddha.

Abschließend eine Betrachtung, die uns vielleicht helfen kann: Rassismus richtet sich gegen Migranten; nicht nur, aber vor allem. Für uns Buddhisten sind wir Menschen allesamt Migranten auf unserer Wanderschaft durch das Leben. Unser Migrieren führt uns von Leben zu Leben in verschiedene Daseinsformen. Es ändern sich dabei Parameter wie Ethnie, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Kultur, aber oft auch die Religion.

Der große Kreislauf der Migration – Samsara [von Sanskrit: Umherwandern] ist der Kreislauf der Natur, so natürlich wie der Wandel von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Das Leben ist eine wilde Kraft, die überall wuchert und neue Formen erscheinen läßt. Gehen wir hinaus in die Natur, beobachten wir die Pflanzen, Tiere, Flüsse, Steine und Wolken – alles wächst, ändert sich und vergeht. Es ist ein beständiger Wandel – eben der Wandel des Kosmos mit seinen Gezeiten, der Flut des Werdens und der Ebbe des Vergehens.

Genauso wie alle Naturphänomene wandeln sich auch unsere Länder, unsere Gesellschaften, unsere Familien und, ganz persönlich, unsere Leben. Wie könnten sie es nicht tun, sind wir doch nicht von der Natur getrennt sondern ein Teil von ihr!

Veränderung ist bei allem natürlichen Werden die einzige Konstante, auf die wir uns wirklich verlassen können. Alles verändert sich – nichts wird beim Alten bleiben. Und diese unaufhaltsame Veränderung macht den Menschen Angst. Sie wollen bei dem bleiben, was sie kennen; bei dem, mit dem sie aufgewachsen sind. Sie fühlen sich wohl, wenn sie in Gewohntem verharren können. Den meisten Menschen geht es nicht primär darum, ihren Horizont zu erweitern – sie wollen in erster Linie bekommen und besitzen, Recht haben, dominieren, andere Menschen unterwerfen. Sie wollen die Monokultur des Egos durchsetzen, ihre Interessen behaupten – und sei es in einer Interessensgemeinschaft von gleichgesinnten Menschen, die genau dasselbe auch wollen. Daraus entstehen Gruppierungen und Lobbys, Seilschaften und Parteien, Weltanschauungen und sogar Religionen, die an etwas festhalten, was sie als einzig wahr, einzig gut, einzig gerecht, ausschließlich erstrebenswert und alleinig gültig ansehen. Aber ist dem auch so?

Lassen Sie uns als religiös fühlende und philosophisch veranlagte Menschen bewußt leben und aufmerksam prüfen: Was tun wir, was sagen wir, wonach streben wir?

Ich bin mir sicher: So werden wir gemeinsam zu Felsen in der Brandung des Ozeans des Unwissens. Keine Welle des Hasses, keine Springflut der Aggression, kein Hochwasser der Arroganz kann uns davon abhalten, verläßliche Vorbilder zu werden – unerschütterliche Wegweiser hin zum Strand des rettenden Ufers, wo keine Spur von Rassismus mehr zu finden sein wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Bhikkhu Thitadhammo

Buddhistischer Mönch

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